Wie wirkt sich der Koalitionsvertrag auf die zukünftige Energieversorgung aus?

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Der Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode, dem nach CSU und CDU auch die Mitglieder der SPD zugestimmt haben, legt die politischen Leitlinien und Vorhaben der kommenden Legislaturperiode fest. Dazu gehören zentrale Zukunftsthemen wie z.B. die Modernisierung der Infrastruktur, Bürokratieabbau und der Umbau der Energieversorgung.

Die neue Regierung hält am Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 sowie am Kohleausstieg bis spätestens 2038 fest. Dafür möchten die Koalitionspartner insbesondere den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben, die CO2-Bepreisung soll bleiben und der europäische und internationale Emissionshandel sollen vorangetrieben werden.

Im Bereich Energie zielt der Koalitionsvertrag auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit ab

Beim Thema Wärme ist geplant, die Gasnetze zu erhalten, die für eine sichere Wärmeversorgung notwendig sind. Die EU-Gasbinnenmarktrichtlinie will die Koalition zügig umsetzen. Notwendige Investitionen sollen aus öffentlichem und privatem Kapital generiert werden. Der Bau von Nah- und Fernwärmenetzen soll durch gesetzliche Regelung und Aufstockung der bisherigen Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) unterstützt werden. Weiterhin soll die AVB-Fernwärme-Verordnung und die Wärmelieferverordnung zügig überarbeitet und modernisiert werden. Eine Stärkung der Preisaufsicht und die Schaffung einer unbürokratischen Schlichtungsstelle sind im Koalitionsvertrag festgehalten.

Die Koalition will den Ausbau erneuerbarer Energien weiter vorantreiben, mit dem Ziel einer künftigen vollständigen Refinanzierung der Erneuerbaren am Markt. Die Subventionen zum Ausbau etablierter Technologien sollen reduziert werden. Außerdem soll beim Ausbau der erneuerbaren Energien stärker als bisher auf Netzdienlichkeit geachtet werden und dabei auch verstärkt der Ausbau der Verteilnetze berücksichtigt werden. Die Koalition plant weiterhin, Solarenergie und deren Speicherung zu fördern. Der Ausbau der Windkraft soll fortgesetzt werden. Hier sollen jedoch die Flächenziele für 2032 evaluiert werden, was möglicherweise zu einem geringeren Ausbau führt als von der Ampelkoalition vorgesehen.

Die Koalitionspartner möchten den Strommarkt zudem durch den Speicherausbau flexibilisieren. Der Speicherausbau soll systemdienlich ausgestaltet werden und es sollen Rechenzentren, Speicher sowie große Erzeuger erneuerbarer Energien netzdienlich angesiedelt werden.

Auch die Kraftwerksstrategie soll überarbeitet werden: Die Koalition plant den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerkleistung bis 2030. Ein Anteil an H2-ready-Kraftwerken ist im Koalitionsvertrag nicht mehr vorausgesetzt. Reservekraftwerke sollen nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen.

Zur Ermöglichung des Wasserstoffhochlaufs soll die europäische Wasserstoffstrategie den Rahmen bilden und zügig umgesetzt werden. Zudem soll Wasserstoffimport durch den Ausbau der grenzüberschreitenden und inländischen Infrastruktur verbessert und Förderinstrumente wie H2-Global und IPCEI-Projekte genutzt werden. Zunächst sollen nicht ausschließlich grüner Wasserstoff, sondern auch andere Wasserstoff-Farben zum Einsatz kommen und die Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff erst später erfolgen.

Die künftige Regierungskoalition spricht sich für die Kraft-Wärme-Kopplung aus. Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz soll noch in diesem Jahr an die Herausforderungen einer klimaneutralen Wärmeversorgung, an Flexibilität sowie hinsichtlich eines Kapazitätsmechanismus angepasst werden.

Auch die Geothermie soll weiter gefördert werden. Die Koalition plant, schnellstmöglich ein verbessertes Geothermie-Beschleunigungsgesetz auf den Weg zu bringen und geeignete Instrumente für die Absicherung des Fündigkeitsrisikos einzuführen.

Der Koalitionsvertrag soll CCS/CCU ermöglichen. Ein Gesetzespaket zu CO2- Abscheidungs-, Speicherungs- und Nutzungstechnologien soll umgehend nach Beginn der Wahlperiode vorgelegt werden. Ein überragendes öffentliches Interesse für den Bau von CCS/CCU-Anlagen und Leitungen soll festgestellt werden.

Die Koalition möchte die Strompreise dauerhaft um mindestens 5 Ct/kWh senken. Dafür soll die Stromsteuer abgesenkt und Umlagen und Netzentgelte reduziert werden. Darüber hinaus soll (im Rahmen des beihilferechtlich Möglichen) ein Industriestrompreis für energieintensive und nicht anderweitig zu entlastende Unternehmen eingeführt werden.

Die künftige Regierung möchte auch den Netzausbau und die Netzmodernisierung vorantreiben und an die Erneuerbaren Energien anpassen. Übertragungs- und Verteilnetze sollen gestärkt und neu zu planende Übertragungsnetze möglichst als Freileitungen umgesetzt werden. Die Kosten für Netzanschlüsse für bestehende Unternehmensstandorte auf dem Weg zur Transformation sollen gesenkt und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.

Entbürokratisierung ist notwendig: Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden

Die neue Regierung will eine umfängliche Entbürokratisierung, insbesondere die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren in Angriff nehmen, um die Energiewende voranzutreiben. Dazu plant die Koalition eine grundsätzliche Überarbeitung des Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und des Verwaltungsverfahrensrechts.

Kommunen sollen entlastet werden

Zur Unterstützung der Kommunen will sich der Bund mit 250 Millionen Euro jährlich an der Tilgung von Altschulden beteiligen. Der Rechtsrahmen für den steuerlichen Querverbund soll angepasst werden, damit zum Beispiel Stadtwerke, die als Querverbundsunternehmen aufgestellt sind, defizitäre Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wie Bäder mitfinanzieren können. Zudem sollen Länder, Kommunen und Vereine außerdem mit mindestens einer Milliarde Euro bei der Modernisierung und Sanierung von Sportstätten und Schwimmbädern unterstützt werden. Auch sieht der Koalitionsvertrag vor, dass kommunale Unternehmen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge unter den KMU-Begriff fallen sollen, womit z.B. die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung entfallen würde.

Die Finanzierung soll über das Sondervermögen und den Investitionsfonds erfolgen

Mit dem Sondervermögen Infrastruktur sollen Infrastrukturprojekte (Brücken, Schienen, Schulen bspw.) finanziert werden. Für die Länder und Kommunen ist ein Betrag von 100 Milliarden vorgesehen.

Außerdem hat die Koalition sich dazu entschlossen, einen Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur aufzulegen, der sich aus öffentlichen Garantien und privatem Kapital zusammensetzt.

Für die EUR 500 Milliarden Sondervermögen Infrastruktur fehlt es allerdings weiterhin an einer Konkretisierung der Verteilung und Verwendung.

Fazit

Der Koalitionsvertrag greift zentrale Themen der Energiewirtschaft auf, doch es bleibt teilweise noch unklar, wie deren konkrete Umsetzung erfolgen wird. Wichtig wird im nächsten Schritt sein, dass die Ausführung schnell erfolgt und dass Gesetzesentwürfe zu zentralen Investitions- und Planungsvorhaben noch vor der parlamentarischen Sommerpause geschaffen werden.

Die Ankündigungen für einen umfassenden Bürokratieabbau sind sehr zu begrüßen, aber auch hier muss die Koalition schnell liefern. Der VKU beispielsweise wünscht sich eine mutige Umsetzung, die bei den Unternehmen zu echter Entlastung führt. Besonders bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren bleibt abzuwarten, wie schnell und effektiv die geplanten Vereinfachungen und Digitalisierungsschritte, die eine zügigere Umsetzung von Projekten ermöglichen sollen, in der Praxis realisiert werden. Hier ist zu hoffen, dass kürzere und vereinfachte Verfahren auch die Kosten reduzieren.

Die beabsichtigte Verankerung und Weiterentwicklung des steuerlichen Querverbunds ist ein wichtiges Signal für die kommunalen Finanzen. Die angestrebte Ausweitung der KMU-Definition auf EU-Ebene auf kommunale Unternehmen wird auch vom VKU unterstützt.

Die geplante Abschaffung des Heizungsgesetzes hat für einige Überraschung gesorgt, da ein Gesetz dieses Namens nicht existiert. Bisher wurde der Begriff stets gleichbedeutend mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) genutzt, das aber nicht abgeschafft, sondern nur novelliert und damit technologieoffener, flexibler und einfacher werden soll. Auch dies ist zu begrüßen; so hebt z.B. der Vorstandsvorsitzende der Thüga den „fairen Wettbewerb der Heiztechnologien” als positiv hervor. Zu den genaueren Details bleibt der Koalitionsvertrag allerdings vage. Hier gibt es für Verbraucher und Energieversorger noch Klärungsbedarf.

Der Zubau von bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung bis 2030 ist überaus ambitioniert und kaum zu realisieren; so weist bspw. die Vorstandsvorsitzende der Entega AG, Maire-Luise Wolff darauf hin, dass dies 40 bis 50 große Gaskraftwerke in weniger als fünf Jahren bedeuten würde, was sie als unmöglich bezeichnet.

Zur Finanzierung wirft der Koalitionsvertrag erhebliche Fragen auf. Da die Absenkung der Stromsteuer, die Kosten für den Industriestrompreis wie auch die Reduzierung der Netzentgelte und die Abschaffung der Gasspeicherumlage enorme Kosten verursachen werden, wird wohl ein Großteil der Summe aus dem Sondervermögen für die Energiewirtschaft bereits dadurch aufgebraucht werden. Ob weitere Investitionen für die Energieinfrastruktur aus dem Sondervermögen und dem Investitionsfonds hierfür ausreichen, ist fraglich. Seitens des VKU wird bemängelt, dass bisher konkrete Zahlen für die finanzielle Ausstattung der BEW fehlen.

Sämtliche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag stehen allerdings unter dem Haushaltsvorbehalt. Es wird sich zeigen, ob die politischen Ankündigungen umgesetzt werden können und die zusätzlichen Milliarden aus dem Sondervermögen Infrastruktur zielgerichtet eingesetzt werden.

Insgesamt zeigt sich der Koalitionsvertrag als eine Art Strategiepapier, das eine Reihe guter Ansätze enthält, die aber – wie zu erwarten – nur sehr vage formuliert sind. Besonders aus Sicht der Energieversorger ist eine konkretere Positionierung in Bezug auf Investitionstätigkeiten und eine schnelle Umsetzung der Vorhaben erforderlich.