Bundesnetzagentur genehmigt Szenariorahmen für Strom- und Gasnetze bis 2045
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Die Bundesnetzagentur hat am 30.04.2025 den Szenariorahmen Strom sowie den Szenariorahmen Gas/Wasserstoff für die kommenden Netzentwicklungspläne 2025-2037/2045 genehmigt. Die Szenariorahmen erscheinen alle zwei Jahre. Sie definieren die Leitplanken für die künftige Entwicklung der Energieinfrastruktur in Deutschland und bilden somit die Grundlage für die weitere Planung des Stromübertragungsnetzes sowie der Gasfernleitungs- und Wasserstofftransportnetze.
Die Entwürfe der Szenariorahmen wurden im Sommer 2024 von den Stromübertragungs- bzw. Gasfernleitungsnetzbetreibern vorgelegt und von der Bundesnetzagentur unter Berücksichtigung der energiewirtschaftlichen Ziele und im Sinne gemeinsamer Grundannahmen mit Anpassungen genehmigt. Sie zeigen eine große Bandbreite möglicher Entwicklungen auf dem Weg zur Dekarbonisierung und bieten einen umfassenden Ausblick auf die künftige Energieinfrastruktur Deutschlands.
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Erstmals werden die Netze abgestimmt geplant
Die Szenariorahmen enthalten erstmals gemeinsame, übergreifende Annahmen zum Infrastrukturbedarf für Strom-, Gas- und Wasserstoffnetze. Damit können die Netzentwicklungsplanungen z. B. anhand von Standorten für Kraftwerke und Elektrolyseure aufeinander abgestimmt erfolgen.
Beide Szenariorahmen betrachten für die Jahre 2037 und 2045 jeweils drei Szenarien, die sich hinsichtlich Strom- und Gasverbrauch, Ausbau erneuerbarer Energien, Wasserstoffnutzung und Erdgas-Ausstieg unterscheiden. Im Szenariorahmen Gas/Wasserstoff bezieht sich ein viertes Szenario auf das Jahr 2030 als Stützjahr auf dem Weg hin zum Erdgasausstieg.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, betont dazu, dass die gewählte Bandbreite der Szenarien es ermögliche, in der Netzentwicklungsplanung auch die Auswirkungen verschiedener energiepolitischer Entscheidungen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem in Deutschland zu berücksichtigen.
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Die Szenarien im Szenariorahmen Strom unterscheiden sich hinsichtlich der Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien und beim Stromverbrauchrung ist notwendig: Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden
Im Strombereich enthält der Szenariorahmen drei Szenarien für die Jahre 2037 und 2045. Die Szenarien unterscheiden sich vor allem in der Dynamik beim Ausbau erneuerbarer Energien, dem zukünftigen Stromverbrauch, dem Grad der Elektrifizierung sowie der Nutzung von Wasserstoff. Sie bilden damit ab, wie und in welcher Geschwindigkeit sich der weitere Umbau des Stromsystems vollziehen könnte. Es hatte hierzu in der Vergangenheit vielfach Forderungen gegeben, den aufgrund der verzögerten Elektrifizierung prognostizierten Stromverbrauch nach unten zu korrigieren, um den notwendigen Netzausbau zu begrenzen.
Diesem Umstand trägt die Netzagentur in den eher konservativ berechneten A-Szenarien Rechnung: Sie geht von einem deutlich geringeren Stromverbrauch sowie einem verzögerten Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Die Nutzung von Wasserstoff ist hier zwar relativ hoch, jedoch ist durch die begrenzte Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom die heimische Elektrolysekapazität ebenfalls begrenzt und ein Großteil des Wasserstoffs muss importiert werden.
Die B-Szenarien stellen einen Mittelweg dar, in dem der gesetzlich festgelegte Ausbaupfad erneuerbarer Energien exakt eingehalten wird. Die C-Szenarien zeigen hingegen den „ambitioniertesten Umbau des Energiesystems“ mit starker Elektrifizierung in allen Sektoren, beträchtlichem Ausbau erneuerbarer Energien und einer deutlichen Steigerung der heimischen Elektrolysekapazität bei gleichzeitig minimalem Wasserstoffimport.
So wird angenommen, dass die installierte Leistung von PV-Anlagen auf 315 GW (Szenario A) bis 440 GW (Szenario C) im Jahr 2045 ansteigen könnte – ausgehend von heute rund 100 GW. Die Wind-Onshore-Kapazität könnte von derzeit 63 GW auf 144 bis 176 GW anwachsen. Der Stromverbrauch im Jahr 2045 wird zwischen 870 und knapp 1.200 TWh prognostiziert.
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Der Szenariorahmen Gas/Wasserstoff berücksichtigt zusätzlich ein viertes Szenario für 2030
Auch der Szenariorahmen Gas/Wasserstoff umfasst drei Szenarien für 2037 und 2045. Ein zusätzliches Szenario für 2030 dient als Übergangsstufe zum Erdgasausstieg.
Die Szenarien unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Annahmen zur Elektrifizierung, dem Einsatz von Wasserstoff bzw. dem Ausstieg aus Erdgas und der Dekarbonisierung über anderweitige Technologien und erlauben so eine detaillierte Überprüfung des Ausbaubedarfs im Wasserstoffnetz und der Anpassung bestehender Gasfernleitungsnetze. Eine integrierte Planung ist essenziell, weil ein großer Teil des zukünftigen Wasserstoffnetzes aus umgestellten Erdgasleitungen bestehen wird und die Netzplanung für beide Energieträger dadurch direkt miteinander gekoppelt ist.
Auch Technologien wie die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid – Carbon Capture and Storage (CCS) – sind in einzelnen Szenarien berücksichtigt.
Die Szenarien bilden die Grundlage für die weitere Planung der jeweiligen Netze
Die vier Übertragungsnetzbetreiber werden nun auf Basis der genehmigten Szenariorahmen in den nächsten Monaten Entwürfe für die Netzentwicklungspläne (NEP) erarbeiten. Diese beschreiben, wo Stromübertragungsnetze sowie das Gasfernleitungs- und Wasserstofftransportnetz in den kommenden Jahren ausgebaut oder verstärkt werden müssen und legen entsprechende Ausbauprojekte fest.
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Die Flexibilität der Szenariorahmen findet breite Zustimmung
Es wird seitens der Energiewirtschaft positiv bewertet, dass die Bundesnetzagentur die nötige Flexibilität für neue Bewertungen zentraler Annahmen offenhält. So begrüßt Dirk Güsewell, Vorstand bei der EnBW, dass sich die Bundesnetzagentur „offen für eine Neubewertung wichtiger energiewirtschaftlicher Parameter wie der künftigen Stromnachfrageentwicklung gezeigt hat“. Dies ermögliche eine bedarfsgerechte Dimensionierung des Systems und einen kosteneffizienteren Netzausbau. Dazu bestätigt auch eine von EnBW gemeinsam mit Aurora Energy Research erarbeitete Systemkostenstudie, dass sich die Dimensionierung des Energiesystems am Strombedarf ausrichten sollte, da realistische Annahmen zu geringeren Systemkosten führen und Netze planbarer und bezahlbarer machen.
Auch Michael Jesberger, technischer Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW, begrüßt, dass im Szenariorahmen nun auch der Vorschlag der vier Übertragungsnetzbetreiber für ein Szenario mit zeitlich realistischer Transformation des Energiesystems enthalten ist: „So können wir den Netzausbau bedarfsgerecht optimieren.“
Tim Meyerjürgens, CEO von Tennet Germany, begrüßt die neue Flexibilität ebenfalls, sprach sich aber auch bei der Entwicklung von Offshore-Windkraftanlagen dafür aus, dass Ertragsziele statt Kapazitätsziele in die Netzplanung einfließen sollen. Nach seiner Einschätzung können „weniger, dafür aber besser ausgelastete Windanlagen und Anbindungen nahezu dieselbe Strommenge liefern, und gleichzeitig hohe zweistellige Milliardensummen einsparen“.
Allgemein kann positiv bewertet werden, dass die genehmigten Szenariorahmen die notwendige Flexibilität bieten, um auf zukünftige Entwicklungen in der Energieversorgung zu reagieren und die Infrastruktur entsprechend den Zielen der Energiewende zu gestalten. Wie sich dies konkret in den Netzentwicklungsplänen widerspiegeln wird, muss sich nun zeigen.