Flexecharge startet erstes virtuelles Kraftwerk auf Basis von Ladepunkten für Elektromobilität
Flexecharge, ein dänisches Energietechnologieunternehmen, hat öffentliche Schnellladestationen zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengefasst. Zusammen mit Recharge, dem größten Ladenetzbetreiber für Schnellladepunkte in Skandinavien, wurde das Projekt umgesetzt. Das Ziel ist die Bereitstellung von Flexibilitätsdienstleistungen für das Stromnetz bei gleichzeitiger Monetarisierung dieser. 66 Standorte und über 500 Ladesäulen sind hierbei im weltweit ersten virtuellen Kraftwerk bestehend aus öffentlichen Schnellladepunkten zusammengefasst. Das Ladeerlebnis soll für Kunden dabei nicht beeinträchtigt werden.
Das Konzept ermöglicht Netzstabilisierung durch Teilnahme an Frequenzregelungsmärkten
Wie auch bei großen stationären Batteriespeichern, können die Fahrzeugbatterien zur Netzstabilisierung genutzt werden und Strom genau dann aufnehmen, wenn zu viel davon im Netz ist. Die Ladesäulen sind für die Erbringung dieser Reserven qualifiziert und versprechen dadurch zusätzliche Einnahmen für den Betreiber Recharge. Die Teilnahme an Frequenzregulierungsmärkten stellt für Ladesäulenbetreiber hiermit ein neues Geschäftsmodell dar. Für die Teilnahme an den Märkten arbeitet Flexecharge mit Fever Energy zusammen, einem schwedischen Unternehmen, dass eine Energie-Flexibilisierungsplattform anbietet. Die Reaktion auf Netzsignale kann dadurch innerhalb von 8 Sekunden erfolgen.
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Das Konzept bringt positive Effekte für die Energiewende mit sich
Durch die Möglichkeit, negative Regelleistung bereitzustellen, wird zudem die Verträglichkeit einer höheren volatilen Stromerzeugung ermöglicht, wie durch Wind oder Sonne. Hier kann das virtuelle Kraftwerk eine zu hohe Einspeisung bis zu der gegebenen Anschlussleistung aufnehmen und Elektrofahrzeuge in diesem Zeitraum laden.
Falls das Projekt positive Rückmeldungen erzeugt, kann es zu einer großflächigen Nutzung von Schnellladenpunkten als Flexibilisierungsmöglichkeit mithilfe von virtuellen Kraftwerken kommen. Die dadurch zusätzlich generierbaren Einnahmen sorgen dann für einen stärkeren Ausbau von Schnellladepunkten und einer weiteren Steigerung der Relevanz von Elektromobilität, mit Vorteilen für die Energiewende bzw. Dekarbonisierung.
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Eine Schwierigkeit ist die Besetzung der Ladepunkte mit Elektrofahrzeugen
Eine Frage die offen bleibt ist, wie stark die Ladesäulen in Benutzung sind. Bei geringerer Benutzung der Ladepunkte sinkt die Effektivität des virtuellen Kraftwerks, da bei geringerer Abnahmeleistung ebenfalls eine niedrigere Frequenzregulierung möglich ist.
Dies bedeutet jedoch auch, dass je mehr Ladepunkte im virtuellen Kraftwerk zusammengefasst sind, desto höher die durchschnittliche Abnahmeleistung zur Teilnahme an genannten Märkten ist. Laut BDEW lag in Deutschland die durchschnittliche Auslastung von Schnellladepunkten bei 17 % für das zweite Halbjahr 2024. Eine Studie der bundeseigenen NOW-GmbH kommt auf noch niedrigere Werte von ca. 10 %. Die Zahl 10 % bedeutet für das Kraftwerk, dass nur durchschnittlich 10 % der Leistung zur Netzregelung zu jeder Zeit zur Verfügung stehen.
Im logischen Schluss wird das Konzept mit steigender Anzahl zugelassener Elektrofahrzeuge und einem besser ausgebautem Schnellladenetzwerk effektiver und günstiger, da hier mehr Ladesäulen in einem Kraftwerk zusammengefasst werden können. Weiterhin steigt dadurch wieder die Attraktivität erneuerbarer Energien, da folglich die überschüssige Energie zu Hoch-Einspeisezeiten besser abgenommen werden kann.
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Die Teilnahme der Bürger an der Energiewende kann weiter steigen
Wie auch bereits durch verschiedene andere Projekte, z.B. Bürgerenergie, steuerbare Verbraucher und dynamische Stromtarife, können hier Bürger aktiv bei der Energiewende teilnehmen. Beispielsweise könnten Elektrofahrzeugbesitzer in Zeiten, in denen die Stromabnahme an Frequenzregulierungsmärkten gefragt wird, zu geringeren bzw. ohne Kosten laden. Man kann ebenfalls noch einen Schritt weiter gehen und diese an entstehenden Gewinnen beteiligen. Diese Anreize können weitergedacht dafür sorgen, dass Kunden zu Zeiten, in denen Sie ihr Auto eine längere Zeit nicht benötigen, dieses auch wirklich an die Ladesäule anschließen. So können Kunden ihr Auto bspw. wenn Sie im Büro sind, gerade einkaufen oder ähnliche zeitintensive Tätigkeiten ausüben, an vorhandene Ladepunkte anschließen. Dies wiederum hilft dabei die Zeit zu erhöhen, in denen die Fahrzeuge die Regelleistung erbringen können.
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Gesamtfazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Projekt in einer großflächig elektrifizierten Energiewelt ein großes Potential für die Zukunft hat, sofern es praktischen Nutzen beweist. Es kann als Pilotprojekt für viele weitere derartige Projekte sowohl national als auch international angesehen werden. Die Idee der Teilnahme an Frequenzregulierungsmärkten ermöglicht eine vielversprechende Integration der Elektromobilität in die komplexe moderne Energiewelt mit einem Großteil an volatiler Erzeugung. Eine Vielzahl von Vorteilen für sowohl Ladesäulenbetreiber, Besitzer von elektrischen Fahrzeugen und für das Stromsystem an sich zeigt eine vielversprechende Zukunft für dieses als auch ähnliche Projekte auf. Um solche Projekte in Deutschland umsetzen zu können, ist ebenfalls ein Blick auf die nationalen Rahmenbedingungen zu werfen. Der kürzlich von der BNetzA zur Konsultation gestellte MiSpeL-Entwurf, der sich mit der Marktintegration von Energiespeichern und Ladepunkten befasst, bietet hier bspw. einen Schritt in Richtung besserer Integration der Speicher in energiewirtschaftliche Prozesse.
Für eine mögliche Umsetzung in Deutschland ist weiterhin noch die Nutzung der Schnellladepunkte kritisch zu hinterfragen, wie oben bereits beschrieben. Hier stellen sich die Fragen: Ist ein solches Projekt bei einer derzeit durchschnittlichen Besetzung der Ladepunkte von rund 10-20% schon wirtschaftlich? Haben wir bereits einen Ausbaustand von Schnellladenetzen, wo diese Art von virtuellen Kraftwerken relevant ist? Wie viel Leistung und durchschnittliche Ladepunktauslastung müssten erreicht sein, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist? Zusätzlich wäre auch interessant, ob andere Stromspeicher, wie z.B. private Hausstromspeicher und Wallboxen in solchen virtuellen Kraftwerken zusammengefasst und netztechnisch genutzt werden können.
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Micheile Henderson auf unsplash.com
