Gas- und Wasserstoffkraftwerke als Schlüssel für eine bezahlbare Energiewende?

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Mit Blick auf wirtschaftliche Tragfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz rückt die Frage nach den Kosten der Energiewende immer stärker in den Fokus. Vor diesem Hintergrund hat EnBW die Aurora Energy Research beauftragt, in einer Studie mögliche Pfade für eine kosteneffizientere Transformation im Stromsektor aufzuzeigen – ohne dabei Kompromisse bei Klimazielen und Versorgungssicherheit einzugehen. Ziel war es, Potenziale für eine kosteneffizientere Gestaltung der Energiewende im Stromsektor aufzuzeigen, ohne Abstriche bei Versorgungssicherheit oder Klimaschutzzielen. Die nun vorliegenden Studienergebnisse liefern nicht nur fundierte Einblicke in mögliche Einsparungen von bis zu 700 Milliarden Euro bei den Systemkosten, sondern eröffnen auch eine neue Perspektive auf den Umbau des Energiesystems.

Die identifizierten Maßnahmen ermöglichen eine erhebliche Kostensenkung im Stromsektor bis 2045

Die Erreichung der Klimaziele bis 2045 sei nicht nur technisch möglich, sondern auch mit deutlich geringeren Kosten realisierbar als bisher angenommen. So können im Stromsektor die gesamtwirtschaftlichen Systemkosten um 300 bis 700 Milliarden Euro gesenkt werden – insbesondere durch niedrigere Investitionsbedarfe, die um ein Viertel bis zur Hälfte reduziert werden können. Grund hierfür sind im Wesentlichen die identifizierten Maßnahmen, die Ausbauziele bei Offshore-Windkraft, PV-Anlagen und Elektrolyseuren zu reduzieren, sowie Batteriespeicher und Wasserstoffkraftwerke in ein ausgewogeneres Verhältnis zu bringen.

Das Offshore-Ausbauziel sollte auf 55 GW begrenzt werden, um unnötige Netzausbaukosten zu vermeiden, stattdessen sollte auf Gas- und H2-Kraftwerke gesetzt werden

Ein weiterer Ausbau der Offshore-Windkraft über eine Kapazität von etwa 55 GW hinaus führe zu deutlich steigenden Netzanschlusskosten, da zusätzliche Anlagen an weit im Landesinneren gelegene Netzknoten, etwa in Südhessen, angebunden werden müssten. Eine Begrenzung des Offshore-Ausbaus könne daher Kosten sparen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden – vorausgesetzt, es erfolgt ein gezielter Ausbau von rund 20 GW Gas- und Wasserstoffkraftwerken, so lautet die Einschätzung von Aurora.

Diese Kraftwerke könnten nicht nur die reduzierte Offshore-Erzeugung kompensieren, sondern tragen auch zur Versorgungssicherheit bei, insbesondere durch ihre Fähigkeit, längere Dunkelflauten zu überbrücken. Dadurch verringere sich zudem der Bedarf an großflächiger Batteriespeicherung. In Zahlen bedeutet dies eine angeratene Verringerung des Offshore-Ausbauziels auf zunächst maximal 55 GW, um unwirtschaftlichen Übertragungsnetzausbau zu vermeiden. Bei einem Szenario mit reduzierter Stromnachfrage sei sogar eine Begrenzung auf 45 GW sinnvoll.

Die Ausbauziele für PV und Elektrolyseure müssen angesichts der Kosteneffizienz reduziert werden

Hohe Elektrolyseurkapazitäten verursachen erhebliche Investitionskosten und treiben somit die gesamtwirtschaftlichen Systemkosten zur Erfüllung der Klimaziele in die Höhe. Im Vergleich dazu bleibt importierter grüner Wasserstoff mittelfristig kostengünstiger als die heimische Produktion. Dementsprechend sollte über eine entsprechende Nachjustierung des Elektrolyseausbaus nachgedacht werden, findet die Studie. Ebenfalls sollte blauer Wasserstoff aus diversifizierten Quellen pragmatisch als kohlenstoffarm anerkannt und als Säule der Dekarbonisierung der disponiblen Erzeugung verankert werden.

Eine Reduzierung der geplanten Elektrolysekapazitäten eröffne nicht nur Einsparpotenziale, sondern ermögliche auch eine Anpassung des Ausbauziels für Photovoltaik. Dies wiederum führt zu geringeren Anforderungen an den Netzausbau. Die Reduktion von PV-Ausbauzielen sei besonders effizient, da Windenergie aufgrund ihrer bedarfssynchroneren Einspeisung systemdienlicher ist.

Ein ausgewogenes Verhältnis von Batterien und H2-Kraftwerken senkt Kosten und erhöht die Versorgungssicherheit

Der geplante Ausbau von Batteriespeichern sei äußerst ambitioniert, stoße jedoch an Grenzen, wenn es um die zuverlässige Bereitstellung von Leistung über längere Zeiträume – etwa während Dunkelflauten – geht. In diesem Kontext stellten Gas- und Wasserstoffkraftwerke eine deutlich kosteneffizientere Alternative dar. Ihr verstärkter Einsatz könne Batteriespeicher teilweise ersetzen, wodurch sich nicht nur die Systemkosten senken lassen, sondern auch Versorgungsknappheiten und Importabhängigkeiten – insbesondere in hochpreisigen Perioden – wirksam reduziert werden. Ziel sollte daher ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Technologien sein, um deren jeweilige Stärken – kurzfristige Reaktionsfähigkeit versus langfristige Versorgungssicherheit – systemdienlich zu kombinieren.

    Eine realistischere Nachfrageschätzung ermöglicht ein schlankeres und kosteneffizienteres Energiesystem

    Ein weiterer zentraler Hebel liegt auf der Nachfrageseite: Die Studie zeigt, dass die Stromnachfrage 2045 deutlich geringer ausfallen könnte als bisher angenommen – aktuelle Analysen rechnen mit 20 bis 25 % weniger Bedarf. Diese Entwicklung ermöglicht ein schlankeres, gezielteres und damit kosteneffizienteres Systemdesign. Um eine Überdimensionierung des Energiesystems zu vermeiden, eröffne diese Entwicklung die Möglichkeit, das Gesamtsystem kleiner, gezielter und damit kosteneffizienter zu planen. Daher empfiehlt die Studie, die Prognosen für die erwartete Stromnachfrage 2045 deutlich nach unten zu korrigieren. Szenario A aus dem NEP-Prozess 2025 sollte als Leitszenario für eine zügige Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) genutzt werden

    Fazit: Systemische Kostenreduktion braucht strategische Weichenstellung

    Die Studie gibt vieles wieder, was auch schon andere Energieversorger und Stadtwerke forderten und sich in die folgenden Kernbotschaften zusammenfassen lässt: Die größten Einsparpotenziale ergeben sich, wenn das Stromsystem bedarfsorientiert dimensioniert und wirtschaftlich optimiert wird. Ein solches Vorgehen wirkt stabilisierend auf die Endkundenpreise und stärkt gleichzeitig die Versorgungssicherheit. Um diese Potenziale zu heben, ist ein zügiger Ausbau von erneuerbaren Energien, Gas- und Wasserstoffkraftwerken und der Stromnetze unerlässlich. Kosteneffiziente Lösungen fördern nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende, sondern beschleunigen auch die Elektrifizierung in allen Sektoren und entlasten die Volkswirtschaft insgesamt. Entscheidend ist, dass die Weichen dafür jetzt gestellt werden.

    Die Studie plädiert für eine Verschlankung des Offshore-, Elektrolyse-, PV- und Batteriespeicherausbaus, während alternativ Gas- und H2-Kraftwerke eine präsentere Rolle bei der Erfüllung der Klimaziele bis 2045 einnehmen sollen. Blauer Wasserstoff – sofern aus Quellen mit zuverlässiger CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) – kann als kohlenstoffarme Übergangstechnologie eine tragfähige Rolle spielen.

    Wichtig ist dabei eine klare regulatorische Einbettung und Nachhaltigkeitsbewertung. Mit der Verabschiedung der Carbon-Management-Strategie im August 2024, könnte tatsächlich der Aufbau von blauem H2 als mögliche Übergangstechnologie in ein realistisches Licht rücken. Zur Erfüllung des kosteneinsparenden und verschlankt-kapazitätsaufbauenden Szenarios ist es jetzt unabdingbar, den Aufbau von CO₂-Abscheidungs-, Speicher- und Nutzungsinfrastruktur (CCS/U) zügig voranzutreiben. Diese Technologien bilden eine wichtige Grundlage, um Restemissionen aus industriellen Prozessen sowie aus der Erzeugung mit blauem Wasserstoff dauerhaft zu kompensieren.