Der Weg zum massenfähigen Steuerungsrollout ist noch lang
Die Vorgaben der Bundesnetzagentur sind ambitioniert: Bis Anfang 2026 sollen die ersten §14a-EnWG-Anlagen steuerbar sein, weil ansonsten diese Anlagen nicht in die Smart Meter Rollout Quote zählen. Bis September 2026 sollen weitere intelligente Messsysteme und Steuerboxen bei neu installierten dezentralen Erzeugungsanlagen hinzukommen. Jedoch ist die Realität weit davon entfernt. Gründe hierfür gibt es viele.
Die derzeit am Markt verfügbaren zertifizierten Steuerboxen nutzen überwiegend analoge Relais-Schnittstellen zur Steuerung, die für die meisten bestehenden Anlagen auch ausreichend sind, da nur verhältnismäßig wenige Anlagen eine digitale Schnittstelle besitzen. Zertifizierte Steuerboxen, die sowohl analog (Relais) als auch digital (z.B. EEBUS) steuern können, werden erst für Anfang 2026 erwartet. Da die entsprechenden Schnittstellen der Anlagen bislang kaum im Rahmen von Anlagenanmeldungen erfasst oder abgefragt wurden, ist häufig unklar, welche Steuerbox im jeweiligen Einzelfall erforderlich ist. Einheitliche, bundesweit gültige Standards für die Schnittstellen von Anlagen müssen hier mittelfristig für mehr Klarheit sorgen. Kurzfristig können Energieversorgungsunternehmen (EVU) der Herausforderung begegnen, indem sie die benötigte Steuerungsart bereits im Anmeldeprozess abfragen.
Unabhängig von der jeweiligen Steuerungsart besteht derzeit ein genereller Mangel an verfügbaren, qualitativ hochwertigen Steuerboxen. Es mag einige zertifizierte Steuerboxen am Markt geben, jedoch zeigen in der Praxis nicht wenige davon bereits nach einigen Monaten im Feld größere Probleme. Entsprechend ist zu prüfen, ob die oft angewendete Drei-Lieferanten-Strategie an dieser Stelle aktuell zielführend ist.
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Die Steuerbarkeit ist derzeit weder durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber (gMSB) noch durch den Verteilnetzbetreiber (VNB) hergestellt
Für die Herstellung der Steuerbarkeit fehlen dem gMSB heute vor allem die notwendigen Stammdatenprozesse für §14a EnWG- und §9 EEG-Anlagen. Die entsprechenden Prozesse zwischen VNB und MSB sind bislang, wenn überhaupt, nur provisorisch umgesetzt, da bundeseinheitliche Standards noch fehlen. Das hierfür erforderliche Stammdatenmodell einschließlich der Zuordnung von Technischer Ressourcen-ID (TR), Steuerbare Ressourcen-ID (SR) und Netzlokation (NeLo) für die Steuerung am Netzanschlusspunkt wird erst 2026 vom bdew vorgestellt.
Daneben ist der Montage- und Inbetriebnahmeprozess der Steuerbox zwar häufig technisch bereits möglich, jedoch ist insbesondere die Inbetriebnahme bisher meist nicht massenfähig.
Die vorhandene Montagekapazität reicht dabei häufig nicht aus, um die gesetzlichen Vorgaben zum Steuerungsrollout zu erfüllen.
Eine weitere Herausforderung stellt die Abrechnung der Steuerung am Netzanschlusspunkt an den heute meist unbekannten Anschlussnehmer dar. Neben dem Aufbau eines geeigneten Abrechnungsprozesses besteht die eigentliche Schwierigkeit in der Identifikation des Anschlussnehmers selbst, da dem gMSB bisher in der Regel nur der Anschlussnutzer bekannt ist.
Eine weitere Herausforderung auf dem Weg zur allgemeinen Herstellung der Steuerbarkeit ist die häufig von VNB kommunizierte Bitte, Einspeiseanlagen mit einer Leistung über 25 kWp vorerst nicht mit Steuerboxen auszustatten, da ansonsten die Netzleitwarte, die bisher nur für die Mittel- und Hochspannung verantwortlich war, diese Anlagen nach der Umrüstung vorübergehend nicht mehr steuern kann. Das liegt daran, dass ihr Netzleitwartsystem in der Regel noch nicht an das derzeit sich im Aufbau befindliche Netzleitsystem für die Niederspannung angeschlossen ist.
In diesem Zusammenhang sind für die Steuerung von Flexibilitäten neben neuen Prozessen auch neue Applikationen bzw. Systeme aufzubauen. So haben insbesondere VNBs heute nur rudimentäre Lösungen für die Ermittlung von kritischen Netzsituationen und dem Auslösen von Steuerungshandlungen.
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Für die Herstellung der Steuerbarkeit muss auch der Kunde seine Anlage vorbereiten – ein in der Praxis bislang nur selten anzutreffender Idealfall
Damit eine Anlage steuerbar wird, ist auch die Mitwirkung des Kunden erforderlich. In der Praxis zeigt sich jedoch regelmäßig, dass die Anforderungen zur Herstellung der Steuerbarkeit durch den Anlagenbetreiber in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Zudem sind diese Vorgaben derzeit deutschlandweit noch nicht einheitlich geregelt. Der VDE FNN arbeitet deshalb an einer Überarbeitung der Technischen Anschlussregel für die Niederspannung (TAR NS 41.00), um unter anderem klare Vorgaben zur Herstellung der Steuerbarkeit aufzunehmen. Energieversorgungsunternehmen sollten jedoch bereits im Vorfeld ihre Technischen Anschlussbedingungen (TAB) sowie die Technischen Mindestanforderungen für Messeinrichtungen und Zählerplätze (TMA) entsprechend aktualisieren.
In der Praxis zeigt sich deutlich, dass sowohl viele Kunden als auch Elektroinstallateure die neuen technischen Anforderungen an steuerbare Anlagen noch nicht kennen. So ist beispielsweise eine neue technische Komponente – die sogenannte Steuersignal-Klemmleiste – vom Kunden vorab im anlagenseitigen Anschlussraum des Zählerschranks zu montieren und mit der steuerbaren Anlage zu verbinden. Nur so kann der MSB die Steuerungseinrichtung anschließend an der Steuersignal-Klemmleiste anschließen.
Auch die Hersteller von Anlagen stehen noch vor der Aufgabe, die neuen gesetzlichen Anforderungen – insbesondere die stufenlose Steuerungsmöglichkeit – in ihre Gerätemodelle zu integrieren. Da Entwicklungszyklen in der Regel drei bis fünf Jahre betragen, sind viele derzeit am Markt erhältliche Geräte noch nicht entsprechend ausgestattet. Die von Kunden aktuell benutzten Modelle verfügen meist lediglich über Relaiskontakte und sind damit für eine unidirektionale, stufenlose Steuerung technisch nicht geeignet.
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Laut ersten Erkenntnissen aus der „Technischen Studie 2.0“ halten zwei Drittel der befragten Unternehmen den massenfähigen Rollout bis 2026 für unrealistisch – ein Stufenmodell kann bei der Einführung des Steuerungsrollouts Abhilfe schaffen
Die Horizonte-Group analysiert aktuell mit der „Technischen Studie 2.0 – Smart Grid Deutschland“ den aktuellen Stand des Steuerungsrollouts, die damit verbundenen Herausforderungen und zeigt mögliche Wege zum Umgang mit diesen auf. Die Studie soll im November veröffentlicht werden. Eine erste Erkenntnis ist jedoch bereits, dass zwei Drittel der befragten Unternehmen einen massenfähigen Rollout bis 2026 für unrealistisch hält. Diese Einschätzung teilen wir seitens Utility Partners, da wir die beschrieben Aufgaben noch für so vielfältig und umfangreich halten, dass eine kurzfristige Massenfähigkeit nicht umsetzbar ist.
Als Lösungsweg bringt die Studie der Horizonte-Group einen stufenweisen Rollout ins Spiel, ähnlich wie es ihn in der Vergangenheit beim Smart Meter Rollout gab. Das komplexe Gesamtkonstrukt „Steuern“ könnte sich somit in gut handhabbare Schritte gliedern. Zunächst sollten im Rahmen von Pilotprojekten und Feldtests praktische Erfahrungen mit einfachen Anwendungsfällen gesammelt werden. Diese dienen als Grundlage, um anschließend schrittweise zusätzliche Funktionen und Aufgaben zu erweitern und zu skalieren. Sobald Erfahrungen mit den ersten Anwendungsfällen gesammelt wurden und die ersten Abläufe laufen, kann der Übergang in den Regelbetrieb mit einem breiteren Rollout für Neuanlagen erfolgen. In einem weiteren Ausbauschritt wäre schließlich die Einbindung und Steuerbarkeit von Bestandsanlagen umzusetzen.
Ein solches stufenweises Vorgehen würde wesentlich dazu beitragen, mehr Transparenz zu schaffen, Prioritäten klar zu definieren und Investitionen gezielter zu planen. Gleichzeitig ließe sich damit die Standardisierung fördern und das Entstehen isolierter Einzellösungen vermeiden.
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Die Arbeiten zur Herstellung der Steuerbarkeit müssen im Zusammenspiel zwischen VNB und MSB intensivst vorangetrieben werden
Das die Quoten zu hoch sind und zu kurzfristig erreicht werden müssen, ist aus der Branche schon lange zu hören. Da der Gesetzgeber aber auch in der aktuellen Diskussion keine Anpassungen der Quoten und Zeiträume vorsieht, muss davon ausgegangen werden, das hieran erstmal weiter festgehalten wird.
In der Konsequenz bedeutet das, dass gMSBs schnellstmöglich ihre Prozesse und Systeme stehen haben sollten, um möglichst schnell erste Steuerboxen einbauen zu können. Auch wenn die Quoten vermutlich nicht erreicht werden, ist eine geringe Einbauquote sowohl als Zeichen ggü. der BNetzA als auch – dank der schnellen Lernkurve – für das eigene Unternehmen viel besser als keine Einbauten.
Außerdem sind Steuerboxen elementar für die Quoten bei der Umrüstung intelligenter Messsysteme. Die zurzeit aufkommende Kritik ist daher nachvollziehbar. Wurde bis zur letzten Novelle bei der Umrüstungsquote von intelligenten Messsystemen nur auf die verbauten intelligenten Messsysteme geschaut, zählt beispielsweise ein intelligentes Messystem heute nicht mehr in die Quote, wenn nicht gleichzeitig eine Steuerbox verbaut ist. Da die Steuerbox auch ansprechbar sein muss, kommt an dieser Stelle der VNB ins Spiel, da dieser den Anstoß für die Testung der Steuerbox geben muss. Ein enges Zusammenspiel zwischen VNB und MSB ist unabdingbar.
Damit der gesamte Prozess von der Anmeldung einer Neuanlage, über die Montage und Inbetriebnahme der Steuerbox bis hin zur Durchführung einer Steuerungshandlung zukünftig effizient ausgelegt ist und insbesondere die Durchführung einer ad-hoc Steuerungshandlung sehr kurzfristig umgesetzt werden kann, ist beim Prozessaufbau akribisch auf die Qualität der Daten zu achten. Ohne vollständige, korrekte und richtig zugeordnete Daten ist ein automatisierter Steuerungsprozess nicht umsetzbar. Erfahrungsgemäß gibt es hier insbesondere bei VNB bzw. MSB erhebliche Potentiale. Bei diesen vielfältigen und komplexen Aufgaben freuen wir von Utility Partners uns sehr, unsere Kunden auch zukünftig bei der Ausgestaltung der individuellen Lösungen zu begleiten.











