Zukunftssichere Stromnetze: Finanzierung zwischen Markt und öffentlicher Verantwortung

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Der Stromnetzausbau ist mit hohen Kosten verbunden, dessen Finanzierung ein elementarer Baustein der effizienten Umsetzung ist. Dabei sind sowohl die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) als auch die Verteilnetzbetreiber (VNB) betroffen. Die kumulierten Investitionen für beide Betreiberebenen werden nach dem Netzentwicklungsplan der BNetzA auf rund 600 Mrd. Euro geschätzt. Angesichts knapper öffentlicher Haushalte und limitierter Finanzierungsfähigkeit vieler Netzbetreiber stellt sich die Frage, wie und durch wen dieser Kapitalbedarf gedeckt werden kann.

Zwar könnten Bund und Länder theoretisch Eigenkapital bereitstellen, doch steigende Ausgaben für Verteidigung, Infrastruktur, soziale Sicherungssysteme sowie Klimaschutzmaßnahmen belasten die Staatsfinanzen bereits heute erheblich. Eine ausschließliche staatliche Finanzierung würde somit die Staatsverschuldung massiv erhöhen und die fiskalische Handlungsfähigkeit einschränken.

Vor diesem Hintergrund entwickelten Axel Kölschbach Ortego, Nicolas Gassen und Janek Steitz in ihrem Paper Stromnetzausbau: Kapital mobilisieren, Netzentgelte reduzieren einen Finanzierungsansatz, der hier systematisch nach Übertragungs- (ÜNB) und Verteilnetzbetreibern (VNB) aufgeschlüsselt werden soll. Für beide Betreiber wurden jeweils drei zentrale Finanzierungssäulen herausgearbeitet. Ziel ist eine strukturierte Aufbereitung möglicher Maßnahmen, um privatwirtschaftliches und öffentliches Kapital effektiv zu mobilisieren, ohne die Stromkosten übermäßig zu belasten oder die Umsetzung zu gefährden.

Regulierung modernisieren, Investitionen ermöglichen: Der neue Ansatz für die ÜNB-Finanzierung

Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland stehen in den kommenden Jahren vor der Aufgabe, zahlreiche Großprojekte umzusetzen. Dazu zählen unter anderem die Nord-Süd-Gleichstromtrassen, Offshore-Anbindungen sowie Netzverstärkungen im innerdeutschen Transportnetz. Um diese Investitionen fristgerecht zu realisieren, ist vor allem eine ausreichende Kapitalausstattung notwendig. Die Autoren empfehlen in diesem Zusammenhang drei zentrale Maßnahmen:

Anheben der regulatorischen Eigenkapitalverzinsung auf ein marktgerechtes Niveau

Erstens, die regulatorische Eigenkapitalverzinsung muss marktgerecht angepasst werden. Aktuell liegt der zulässige Zinssatz für Neuanlagen bei etwa 5 Prozent. Dies sei zu wenig, um die Risiken derart großer und langfristiger Infrastrukturprojekte angemessen abzubilden. Die Autoren schlagen daher eine Verzinsung von rund 8,7 Prozent vor, was einem realistischen Kapitalmarktzins zuzüglich eines Risikoaufschlags von etwa 2 bis 2,5 Prozent entspricht. Eine solche Anpassung würde die Finanzierungskosten und auch die Netzentgelte zunächst erhöhen, langfristig könne eine höhere Verzinsung zu einem Zufluss an Investitionen führen, sodass Verzögerungen durch Finanzierungslücken umgangen und Projektlaufzeiten sich dadurch verkürzen könnten.

Darüber hinaus stelle das größte Risiko für Investoren das regulatorische Risiko dar, weshalb der von der Bundesnetzagentur entwickelte Regulierungsrahmen entscheidend für den Erfolg der Investitionen ist. Demnach plant die Bundesnetzagentur, die Regulierung von Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern getrennt zu betrachten und von einem Budget- zu einem Kostenprüfungsansatz zu wechseln, was grundsätzlich eine Vereinfachung darstellt. Allerdings könnte dieser neue und unerprobte Ansatz Investoren abschrecken, da diese befürchten, dass rückblickende Kostenprüfungen die Renditeermittlung verzögern. Auch diesem Effekt der Unsicherheit könnte durch eine Zinsanhebung entgegengesteuert werden.

Staatliche Beteiligungen mit Dividendenrecycling

Zweitens empfiehlt sich eine gezielte staatliche Beteiligung am Kapital der ÜNB, etwa über die KfW oder eine neu zu gründende Energieinfrastrukturgesellschaft. Diese Beteiligung sollte so ausgestaltet sein, dass erzielte Dividenden nicht im allgemeinen Staatshaushalt verschwinden, sondern zweckgebunden zur Dämpfung der Netzentgelte oder zur Rückführung der investierten Mittel verwendet werden. Ein solches Dividendenrecycling trägt dazu bei, die gesellschaftliche Akzeptanz hoher Investitionen zu stärken und die langfristige Tragfähigkeit des Systems sicherzustellen.

Ergänzende Maßnahmen

Drittens sollten Effizienzpotenziale systematisch gehoben werden, sowohl auf technischer als auch auf regulatorischer Ebene. Dazu zählen beispielsweise eine verstärkte Nutzung von Freileitungstechnologien statt teurer Erdkabel, eine Optimierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine bessere Koordination von Offshore-Infrastrukturen. Solche Maßnahmen können die Investitionskosten signifikant senken und damit einen Teil der Kapitalmehrkosten kompensieren, die durch höhere EK-Verzinsungen entstehen.

Mischfinanzierung mit Struktur: Kapital für den Verteilnetzausbau mobilisieren

Im Gegensatz zu den ÜNB sind die knapp 900 Verteilnetzbetreiber (VNB) in Deutschland stark dezentral organisiert und viele davon kommunal oder regional verankert. Die Herausforderung liegt hier nicht nur in der Kapitalbeschaffung, sondern auch in der Organisationsform, der Heterogenität der Betreiberlandschaft und in der Risikoabsicherung für kleinere Akteure. Daher bedarf es teilweise anderer Instrumente als auf Übertragungsebene.

Anheben der regulatorischen Eigenkapitalverzinsung auf ein marktgerechtes Niveau

Erstens sei eine moderate Anhebung der Eigenkapitalverzinsung, wie auch bei den ÜNBs, für Verteilnetzbetreiber notwendig, um Investitionen attraktiver zu machen – sowohl für bestehende Eigentümer als auch für potenzielle Co-Investoren. Die in der Studie vorgeschlagene Erhöhung um etwa 1,8 Prozentpunkte würde die Attraktivität deutlich steigern, ohne das System zu überfordern.

Flankierend brauche es jedoch auch rechtliche und organisatorische Klarheit: Laut der Autoren sollten die Stromnetze rechtlich aus den kommunalen Energieversorgungsunternehmen ausgegliedert werden, damit die neuen Gesellschaften selbst Kapital aufnehmen können. Durch eine Trennung der Sparten werde das Risikoprofil für Investoren klarer. Weiterhin wäre es möglich, sich Thesaurierungsverpflichtungen in die Verträge schreiben zu lassen; dies entgegnet Sorgen der Investoren vor Quersubventionierung in andere Infrastruktursparten. Zusätzlich solle ein staatliches Eigenkapitalinstrument eingerichtet werden, um die Finanzierung zu unterstützen. Die Empfehlung der Ausgliederung richten die Autoren auch an integrierte EVUs, da dies Investoren anziehe und die Kapitalaufnahme erleichtere, was den Netzausbau beschleunige. Für kleinere EVUs kann die Ausgliederung jedoch unverhältnismäßig teuer sein und lohne sich nur, wenn die Finanzierungsvorteile die zusätzlichen Kosten übersteigen.

Fonds-System zur Erleichterung des Kapitalzugangs

Zweitens schlagen die Autoren die Einrichtung eines zentralen Energiewendefonds auf Bundesebene vor, ergänzt durch spezialisierte regionale Asset-Fonds. Diese Fonds bündeln die Kapitalnachfrage, reduzieren durch Diversifikation das Risiko und bieten kleineren VNBs Zugang zu professionellem Finanzierungs-Know-how. Der Bund könnte hierbei als Ankerinvestor auftreten und so zusätzliches privates Kapital mobilisieren. Eine solche Struktur hätte zudem den Vorteil, dass sie standardisierte Prozesse schafft und damit Skaleneffekte bei der Finanzierung nutzt.

Staatliches Eigenkapitalinstrument mit Dividendenrecycling

Drittens kommt für besonders finanzschwache VNB ein öffentliches Eigenkapitalinstrument infrage, zum Beispiel in Form von stillen Beteiligungen oder Nachrangdarlehen. Auch hier sollte das Dividendenrecycling-Prinzip Anwendung finden: Öffentliche Renditen werden zweckgebunden zur Entlastung der Netzentgelte oder zur Refinanzierung eingesetzt. Wichtig sei jedoch, dass der Einsatz öffentlicher Mittel stets an einen konkreten Finanzierungsengpass geknüpft ist und nicht private Finanzierung vollständig ersetzt.

Fazit: Eine staatlich-private Mischfinanzierung als Mittelweg

Der Status quo bei der Finanzierung des Stromnetzausbaus ist kaum zukunftsfähig. Weder die kommunalen Haushalte noch die öffentliche Hand allein können die immensen Investitionen stemmen, die für die Energiewende im Netzbereich notwendig sind. Gleichzeitig zeigen sich auch bei rein privatwirtschaftlichen Lösungen, bei denen der gesamte Netzausbau ausschließlich durch private Investoren ohne staatliche Beteiligung finanziert wird, erhebliche Risiken.

Aufgrund unterschiedlicher Anreize könnten private Investoren zurückhaltender bei langfristig wichtigen, aber weniger rentablen Investitionen sein, was sich auf Versorgungssicherheit auswirken kann. Gleichzeitig könnten bei rein privatwirtschaftlichen Lösungen, insbesondere bei rechtlich ausgegliederten Netzen, die Möglichkeiten zur demokratischen Kontrolle eingeschränkt sein, da private Investoren meist keiner öffentlichen Rechenschaftspflicht unterliegen. Dadurch bestünde die Möglichkeit, dass gesellschaftliche Interessen weniger berücksichtigt werden, was die Akzeptanz in der Bevölkerung beeinträchtigen könnte.

Eine pauschale Privatisierung verbietet sich schon deshalb, weil das Verteilnetz eine Funktion der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllt. Gleichzeitig bietet die Einbindung privater Investoren klare Vorteile: Sie bringen nicht nur Kapital, sondern auch marktliche Effizienz, Projektfokus und eine disziplinierte Mittelverwendung mit sich.

Die Lösung liegt daher in einem ausgewogenen Mittelweg: Eine staatlich-private Mischfinanzierung, die gezielt Investitionsanreize für privates Kapital schafft, ohne die öffentliche Hand aus ihrer strategischen Verantwortung zu entlassen. Dies erfordert allerdings auch verlässliche Rahmenbedingungen. Die regulatorische Unsicherheit, beispielsweise durch rückwirkende Kostenprüfungen, stellt derzeit ein zentrales Investitionshemmnis dar. Nur ein klarer, kalkulierbarer Regulierungsrahmen, etwa auf Basis eines standardisierten WACC-Modells, kann das notwendige Vertrauen schaffen.

Effizienz durch Marktmechanismen bei gleichzeitiger öffentlicher Kontrolle sollte das grundlegende Leitbild zukünftiger Investitionsstrategien im Stromnetzbereich sein. Gelingt es, diese Balance zwischen wirtschaftlicher Effizienz und staatlicher Steuerung zu wahren, kann der Netzausbau zugleich wirksam, finanzierbar und gesellschaftlich legitim erfolgen.