Urteil des Bundesgerichtshofs zu Kundenanlagen könnte den Ausbau kleiner erneuerbarer Energieanlagen gefährden

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Ein Gerichtsurteil des BGH Anfang Mai widerspricht für ein bestehendes Mieterstromprojekt in Sachsen dem Vorliegen einer Kundenanlage. Der Energieversorger wollte für 250 Wohnungen Strom vor Ort erzeugen und diesen an die Bewohner verkaufen. Durch kurze Leitungen sollte der Strom die Wohnungen erreichen. Gesetzlich zählen diese lokalen Verteilnetze zu Erzeugungsanlagen, weshalb der Betreiber der Kundenanlage kein Netzbetreiber wird und somit keine Pflichten dieser Rolle erfüllen muss. Weiterhin fallen für den Betreiber der Anlage weder Netzentgelte noch sonstige Gebühren für das Netz an.

Laut Urteil kann eine Anlage nun jedoch nur eine Kundenanlage sein, wenn sie kein eigenes Verteilnetz darstellt. Das Gerichtsurteil würde den Betreibern jener Kundenanlagen viele Vorteile nehmen. Das lokale Netz, dass vorher zur Anlage selbst gehörte, müsste nun als eigenständiges Verteilnetz oder geschlossenes Verteilnetz betrieben werden. Damit gehen Pflichten einher, die nur bestehende Netzbetreiber und einige spezialisierte Unternehmen übernehmen können. Zusätzlich fallen neue Kosten, wie bspw. Netzentgelte für die ganze vorgelagerte Infrastruktur an, weshalb sich die Energie aus diesen Anlagen deutlich verteuern wird. Zwar gibt es Unternehmen mit Erfahrung im Netzbetrieb, meistens große Organisationen wie zum Beispiel Betreiber von Flughäfen, Chemieparks oder Messegeländen. Doch für kleinere Erzeuger mit Kundenanlagen dürften die zusätzliche Komplexität und Kosten für die Umsetzung oder Beauftragung entsprechender Dienstleister erheblich sein.

Das Urteil des BGH ist bezogen auf die EuGH-Rechtsprechung nicht überraschend

Nach EU-Recht gelten für alle Stromerzeuger in der EU die gleichen Regeln. Hierbei ist es unerheblich, ob der Strom nur lokal erzeugt und an wenige Kunden verkauft wird. Bereits im November 2024 wurde daher vom europäischen Gerichtshof entschieden, dass die deutschen Regeln zu Kundenanlagen nicht EU-rechtskonform sind. Das Urteil des BGH kann daher nur als Umsetzung bestehenden EU-Rechts gewertet werden. „Geschlossene Verteilernetze“ sind im Gegensatz zu klassischen Netzen weniger reguliert. Hierdurch ließen sich die Pflichten des Netzbetriebes etwas vermindern. Bei dem Urteil ist zu beachten, dass private Kundenanlagen, wie bspw. Solar-Dachanlagen, die nur für den eigenen Stromverbrauch ohne den Verkauf an Dritte genutzt werden, nicht betroffen sind.

Kritik findet sich vor allem im Bezug zu dem Ausbau lokaler Grünstromanlagen. Ein vorher lukratives Geschäftsmodell zum Ausbau der erneuerbaren Energien mit lokalem Stromverbrauch würde durch ein solches Urteil deutlich erschwert, was wiederum negative Auswirkungen auf die Dekarbonisierungsziele hätte. Wenn der Einkauf von Graustrom wieder rentabler wird, als selbst Grünstrom mit PV-Anlagen zu erzeugen, hat dies folglich Nachteile für das Vorankommen der Energiewende. 

Neben den genannten Kundenanlagen steht die Gefährdung von weiteren Projekten auf dem Spiel

Was betroffene Betreiber jetzt unternehmen sollten, wird von JuristInnen unterschiedlich bewertet. Hier reichen die Meinungen von „Gründe des Beschlusses“ abwarten und kurzfristig nichts zu überstürzen, über „erste Überlegungen anstellen“ bis zu „sich bereits jetzt mit zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten beschäftigen“.

Fazit

Das Urteil des BGH setzt die EU-Gesetzgebung um und ist daher grundsätzlich als richtig zu betrachten. Dennoch lässt das Urteil viele Fragen offen und hat deutliche Auswirkungen für viele Betreiber von dezentralen Energieanlagen. Weiterhin kann das Urteil den Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort erschweren und damit den Fortschritt der Energiewende deutlich bremsen.

Für Anlagenbetreiber könnte sich, sollte das Urteil tatsächlich so durchgesetzt und in Zukunft weiterhin Bestand haben, nun einiges ändern. Bei der Annahme dieses Szenarios müssen Anlagenbetreiber zuerst prüfen, ob der Weiterbetrieb ihrer Anlage unter den neuen Bedingungen immer noch wirtschaftlich sinnvoll ist. Sollte dies so sein, müssen im nächsten Schritt Entscheidungen getroffen werden, wie der Netzbetrieb und resultierende Pflichten nun umgesetzt werden. Hier sollte genau geprüft werden, welcher Weg der Bessere ist: die Beauftragung eines Dienstleisters oder sowohl die Aneignung notwendiger Kenntnisse als auch die eigenständige Schaffung der Infrastruktur, um die regulatorischen Netzbetreiberpflichten erfüllen zu können.

Im Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energien und das Erreichen der Emissionsminderungsziele ist das Urteil kritisch zu sehen. Kundenanlagen, wie sie derzeit umgesetzt werden, bieten Betreibern vor allem eine wirtschaftlich attraktive Möglichkeit, grünen Strom lokal zu erzeugen und zu nutzen. Zusätzlich wird die Energiewende dadurch ohne staatliche Eingriffe vorangetrieben. Da die zusätzlichen Pflichten, die auf Anlagenbetreiber zukommen, erheblich sind, könnte das Urteil den Ausbau betroffener Anlagen deutlich hemmen.

Um die Energiewende nicht unnötig auszubremsen, ist hier schnelles Handeln erforderlich. Die EU sollte ihre Vorgaben zur Definition und Behandlung von Kundenanlagen daher im besten Fall überarbeiten.  Mindestens aber müsste die Bestimmung, wie die durch das Urteil neu entstandenen Verteilnetze behandelt werden, angepasst werden. Hierbei sollten die Pflichten mindestens in solchem Maße für Betreiber erleichtert werden, dass der Betrieb lokaler Erzeugungsanlagenweiterhin wirtschaftlich attraktiv bleibt.