E.ON und RWE sehen Einsparungsmöglichkeiten bei der Energiewende

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Die Vorstandsvorsitzenden der zwei größten Energiekonzerne Deutschlands Leonhard Birnbaum (E.ON) und Markus Krebber (RWE) sind sich einig, dass die Energiewende, wie sie derzeit umgesetzt wird, überdimensioniert ist. Sie sehen große Einsparpotentiale und fordern einen „Point Zero“, von dem aus das sehr komplexe Regelwerk verschlankt und neu geordnet wird. Andernfalls seien die Ziele der sicheren, bezahlbaren und klimaneutralen Energie nicht erreichbar. Konkret schlagen sie vor, eine Überdimensionierung des Netzausbaus zu vermeiden und die Energiesystemplanung bedarfsgerechter auszurichten.

An langfristigen Zielen festhalten – bei kurzfristigen Zielen Freiräume lassen

Das gemeinsame Positionspapier stellt nicht die langfristigen Klimaschutzziele in Frage, sondern betont, dass eben diese Ziele auf möglichst kosteneffiziente Weise umgesetzt werden sollten. Hierfür wird vorgeschlagen, das Energiesystem nicht nach vagen Zielvorstellungen zu planen, sondern diese vielmehr an einem realistischen und umsetzbaren Pfad auszurichten.

Konkret wird der Gesetzgeber in der Pflicht gesehen, den Akteuren bei der Umsetzung der Ziele mehr Freiraum zu lassen und nicht jede denkbare Erfüllungsoption bis ins kleinste Detail auszubuchstabieren. Das bedeutet auch, dass es keine Bevorzugung einer bestimmten Technologie gegenüber einer anderen geben sollte, wenn diese angemessen zu Net Zero beiträgt.

Die Energiesystemplanung erfolgt derzeit zu stark durch politische Ziele und zu wenig bedarfsgerecht, was zu einer Überdimensionierung des Systems führen kann. Laut Positionspapier könne ein bedarfsgerechter Ausbau von Netzen und Erzeugung den Stromkunden allein in den nächsten 10 Jahren dreistellige Milliardensummen einsparen. Dafür sollte bei Investitionen zwischen jenen unterschieden werden, die sich volkswirtschaftlich in jedem Fall rentieren und jenen, die nur bei bestimmten Entwicklungen notwendig werden und sinnvoll sind. Beispielsweise würde der Strombedarf von der Geschwindigkeit der Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors sowie der Industrie abhängen, wofür wiederum verschiedene Szenarien beachtet werden müssten.

Lockerung der regulatorischen Zügel und Ansporn durch CO2-Bepreisung

Nach Aufstellung dieser realistischen Infrastrukturszenarios sollte 2030 dann eine Nachjustierung basierend auf dem bis dahin vollbrachten Fortschritt und der technischen Entwicklung erfolgen. Zur Erfüllung des Szenarios sind die regulatorischen Zügel zu lockern und in die Handlungswilligkeit der jeweiligen Akteure und der Bevölkerung zu vertrauen. Der richtige Weg zur Klimaneutralität soll von den Unternehmen selbst gefunden und gegangen werden. Eine Lenkung des Marktes durch eine konsequente CO2-Bepreisung ist hier ausreichend, da dies generell dazu führen sollte, dass die Wahl auf die kostengünstigste Option fällt.

Dem Markt mehr zutrauen und Anreize setzen

Der neoliberale Grundsatz, dem Markt mehr zuzutrauen, findet sich neben der Empfehlung auf die CO2-Bepreisung zu setzen, auch in der vorgeschlagenen Abschaffung der fixen Einspeisevergütung im EEG wieder. Anstelle dieser soll eine eigene Vermarktung treten. Weiterhin wird gefordert, das Referenzertragsmodell durch ökonomische Anreize zu ersetzen, um windschwache Standorte zu unterstützen und den effizienten Zubau erneuerbarer Energien im Netz zu fördern.

Darüber hinaus soll eine Senkung der Systemkosten durch einen effizienten Ausbau der Netze stattfinden. Dies soll mit Hilfe der sogenannten Netzampel geschehen, die die aktuelle und zukünftige Auslastung von Verteilnetzen anhand eines Ampelsystems (grün, gelb, rot) sichtbar macht. Dabei orientiert sie sich an den Netzausbauplänen und der kommunalen Flächennutzungsplanung, um Engpässe frühzeitig abzubilden. Bei gelbem oder rotem Ampelstand würden sich die Netzanschlüsse verzögern, und Investoren müssten sich stärker an den Netzausbaukosten beteiligen. Dadurch soll ein Anreiz entstehen, Projekte bevorzugt dort zu realisieren, wo das Netz ausreichend Kapazität bietet und die Anschlusskosten geringer ausfallen.

Wasserstoff ist und bleibt eine teure Dekarbonisierungsoption. Dies liegt unter anderem an regulatorischen Hürden, wie bspw. bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff. Die Schaffung eines Rahmens mit dem Ziel eines sich selbstständig entwickelnden Marktes ist im ersten Schritt für einen Wasserstoffhochlauf wichtig. Hierbei sollen z.B. Flexibilitätspotentiale in der Sektorenkopplung beachtet und die Elektrolyseur-Ausbauziele gestrichen werden. Folglich soll auf das Ziel hingearbeitet werden, dass sich der Wasserstoffmarkt durch Preissignale aus dem EU ETS selbst herausbildet.

Fazit: Der „Point Zero“ und der Ruf nach einer überschaubaren Rechtslage – eine verständliche Reaktion?

Der Appell der beiden großen Energieversorgungsunternehmen RWE und E.ON ist klar: Weniger politische Planung und Regulatorik, dafür mehr Vertrauen in die Entscheidungen der einzelnen Unternehmen bezüglich Durchsetzung der Energiewende. Dies ist mit Blick auf die hohen Investitionskosten, die laut Deutschem Bundestag je nach Betrachtungszeitraum auf Beträge zwischen 10 – 13,3 Billionen Euro insgesamt bis zum Jahr 2045 beziffert werden, durchaus nachvollziehbar. Vor allem müssen an vielerlei Stellen die Kommunen und EVUs in „Vorkasse“ gehen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Aufgrund der angespannten Haushaltslage bei fast allen Kommunen ist dies aber kaum realisierbar. Darauf machten zuletzt sowohl der Deutsche Städtetag als auch der VKU aufmerksam. Mit geringerer Regulatorik können voraussichtlich hohe Kosten eingespart und eine Überdimensionierung des Energiesystems vermieden werden. Eine Zurücksetzung auf den „Point Zero“ könnte jedoch auch eine komplett neue rechtliche Landschaft für alle Marktakteure bedeuten und eventuell zu noch mehr Verunsicherungen führen, weshalb hier eine sukzessive Vereinfachung anstelle eines radikalen Schnitts die klügere Taktik sein könnte.