Acht Ostsee-Übertragungsnetzbetreiber legen eine Roadmap für ein resilientes Offshore-Stromnetz vor

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Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) von acht Anrainerstaaten der Ostsee haben gemeinsam eine Roadmap für mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Offshore Windenergie und der damit zusammenhängenden Stromnetzinfrastrukturen veröffentlicht. Das entsprechende Expertenpapier wurde im Rahmen eines Treffens der Energieminister in Warschau vorgestellt und beleuchtet die strategische Entwicklung der Offshore-Windenergie. Es betont zudem die Notwendigkeit regionaler Kooperationen und innovativer Lösungen.

Die Roadmap der ÜNB ist das Ergebnis der Zusammenarbeit im Rahmen der „Baltic Offshore Grid Initiative“

Zu der „Baltic Offshore Grid Initiative“ (BOGI) gehören die acht Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) der Ostsee 50 Hertz (Deutschland), AST (Lettland), Elering (Estland), Energinet (Dänemark), Fingrid (Finnland), Litgrid (Litauen), PSE (Polen) und Svenska Kraftnät (Schweden). Ziel der Initiative ist es, die Erzeugung von Offshore-Windenergie in der Ostsee deutlich auszubauen und länderübergreifend effizienter zu nutzen.

Das Expertenpapier basiert auf der Erklärung von Vilnius, die am 10. April 2024 von den Regierungen des Ostseeraums unterzeichnet wurde und mit einem klaren Mandat für die ÜNB zur Stärkung der regionalen Zusammenarbeit verbunden war. Dazu gehörte die Entwicklung neuer hybrider Verbindungsleitungsprojekte und Offshore-Energie-Mehrzweck-Hubs.

Das Offshore-Windpotential liegt knapp um den Faktor 20 höher als die bisher dort installierte Leistung

Die vielfältigen Windprofile der Ostsee und die günstigen Offshore-Bedingungen machen die Ostsee zu einem erstklassigen Standort für große Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien. Nach Angaben der ÜNB liegt das Potenzial für die Energieerzeugung in der Ostsee bei rund 93 GW, jedoch sind derzeit weniger als 5 GW Leistung installiert. Es fehlt noch an regulatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, um dieses Potenzial zu erschließen, und die Netzbetreiber fordern eine engere Koordination der Stromnetzplanung, standardisierte Verfahren, mehr private Investitionen und gezielte EU-Förderung. Der Ostseeraum könnte angesichts der zunehmenden Zahl erwarteter Offshore-Windprojekte für Investitionen in Produktionsstandorte attraktiver werden und es könnten viele Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungskette entstehen.

Dafür sieht die Initiative bis 2050 Investitionen von bis zu 90 Milliarden Euro vor, um eine fortschrittliche Energieinfrastruktur in der Region zu entwickeln.

Die Roadmap analysiert verschiedene technische und wirtschaftliche Optionen für ein grenzüberschreitendes Stromnetz

Zu diesen Optionen gehören Punkt-zu-Punkt-Interkonnektoren, also grenzüberschreitende Stromleitungen, weiterhin sogenannte Hybrid-Interkonnektoren an denen Offshore-Windparks zwischen zwei oder mehr Ländern beteiligt sind, sowie grenzüberschreitende radiale Verbindungen, bei denen Windparks im Hoheitsgebiet eines Staates an das Stromnetz eines anderen Staates angeschlossen werden. Dies soll nach Ansicht der Netzbetreiber für mehr Effizienz bei der Stromverteilung sorgen.

Darüber hinaus adressieren die ÜNBs Herausforderungen wie mögliche Nachlaufeffekte bei eng beieinander liegenden Windparks, die durch eine breitflächige geografische Verteilung der Offshore-Windparks minimiert werden können.

Zudem werden wesentliche Aspekte wie Sicherheit der Anlagen, Engpässe in Lieferketten und die Finanzierung der Projekte untersucht:

  • Sicherheit vor hybriden Bedrohungen
    Ein weiterer Schwerpunkt der Roadmap ist die Sicherheit kritischer Unterwasser- und Offshore-Energieinfrastrukturen. Die jüngsten geopolitischen Spannungen sowie gezielte Sabotageakte gegen Unterseekabel und Pipelines haben die Verwundbarkeit der europäischen Energieinfrastruktur eindrücklich vor Augen geführt. Sie unterstreichen die dringende Notwendigkeit, Strategien zur Stärkung der Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen zu entwickeln und konsequent umzusetzen.
    Zu den Empfehlungen der Roadmap zählt eine enge und belastbare Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern, den Sicherheitsbehörden sowie privaten Betreibern kritischer Infrastrukturen. Begrüßt werden in diesem Zusammenhang auch Übungen zur operativen Kommunikation wie z.B. die NATO-Operation „Baltic Sentry“, die durch eine verstärkte militärische Präsenz der NATO im Ostseeraum die Sicherheit kritischer Infrastrukturen erhöhen und die Reaktionsfähigkeit auf destabilisierende Angriffe verbessern können.
  • Logistische Herausforderungen und Stärkung der Lieferkette
    Um die zukünftigen Kapazitätsziele für Offshore-Windkraftanlagen zu erreichen, muss die Lieferkette erheblich erweitert werden. Hier sollen die Ostsee-ÜNB die Herausforderungen in der Lieferkette bewältigen, indem sie mit Herstellern und Zulieferern zusammenarbeiten, klare Prognosen für den Anlagenbedarf erstellen und technische Anforderungen standardisieren. Die Investitionen sollen nicht nur die Versorgung mit wichtiger Infrastruktur sichern, sondern auch Tausende von neuen Arbeitsplätzen im gesamten Ostseeraum schaffen. Die Entwicklung einer robusten industriellen Basis wird als entscheidend für die Sicherung der technologischen Führungsposition Europas im Bereich der Offshore-Windkraft angesehen, insbesondere angesichts der wachsenden Konkurrenz durch asiatische Hersteller.
  • Finanzierung
    Die Roadmap sieht Investitionen von bis zu 90 Milliarden Euro bis 2050 vor, um eine fortschrittliche Energieinfrastruktur in der Region zu entwickeln. Die Finanzierung dieser ambitionierten Vorhaben stellt jedoch eine erhebliche Herausforderung dar. Der derzeitige EU-Kostenteilungsrahmen im Rahmen der TEN-E-Verordnung, die grenzüberschreitende Projekte zur Verknüpfung der Energienetze der Mitgliedstaaten unterstützt, wird als unzureichend angesehen, um den Umfang der erforderlichen Investitionen zu decken. Die ÜNB schlagen daher eine Kombination aus verbesserter regionaler Planung, verstärkter Beteiligung privater Investoren und einem besseren Zugang zu EU-Finanzierungsmechanismen wie beispielsweise „Connecting Europe“ (CEF), dem EU-Förderprogramm für die Schaffung und den Ausbau leistungsfähiger Netze in den Bereichen Transport, Energie und digitale Infrastrukturen, vor. Zudem soll ein faires Kosten-Nutzen-Verhältnis für die ÜNB und Mitgliedsstaaten sichergestellt werden.

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Kurzfazit

Die Baltic Offshore Grid Initiative symbolisiert eine tiefgreifende Veränderung in den europäischen Bemühungen um Energiesicherheit, Nachhaltigkeit und industriellem Wachstum. Die ÜNB sehen hier eine historische Chance, die Region in eine Hochburg für nachhaltiges Wachstum und regionale Energieintegration zu verwandeln, und fordern sofortiges Handeln und nachhaltiges politisches Engagement.

Auch die neue Bundesregierung hat den Willen zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der Energiepolitik bereits bekräftigt. So betonte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, dass die Versorgungssicherheit essenziell sei: „das hat der jüngste Blackout auf der Iberischen Halbinsel uns allen unmissverständlich vor Augen geführt.“

Stefan Kapferer, CEO des an BOGI beteiligten ÜNB 50Hertz, bestärkt die Forderung nach einer stärkeren Vernetzung der Erzeugungs- mit der Netzinfrastruktur im Offshore-Bereich, „damit alle vorhandenen Potenziale ausgeschöpft werden können.“

Der Fokus der Initiative auf Sicherheit vor hybrider Bedrohung, also vor einer Kombination aus klassischen Militäreinsätzen, wirtschaftlichem Druck und Cyberangriffen, zeigt einen Wandel in der Art und Weise, wie Europa die Energiesicherheit angeht. Es ist aktuell nicht nur wichtig, geopolitische Abhängigkeiten zu vermeiden, sondern auch für Sicherheit vor neuen Bedrohungen wie z.B. Cyberattacken zu sorgen.

Es wäre daher zu wünschen, dass die ÜNB auch in Zukunft gemeinsam die Entwicklung von Offshore-Windkraftprojekten und deren Vernetzung weiter vorantreiben und dabei von den entsprechenden Regierungen sowie der EU unterstützt werden.