Intelligentes Laden senkt Ladekosten laut Studie um knapp 70%

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Intelligentes Laden

In einer neuen Studie hat das Beratungsunternehmen Neon im Auftrag des Stromanbieters Rabot Energy das Einsparpotential von intelligentem Laden von Elektroautos in verschiedenen Konstellationen ermittelt. Grundlage der Studie ist eine viertelstundenscharfe Optimierung des Ladeverhaltens. Dies geschieht, indem Ladezeitpunkte so verschoben werden, dass die vorhandene Flexibilität der Batterie optimal ausgenutzt wird. Dabei wird mit dem Laden auf einen günstigen Strompreis gewartet und damit die Last in einen späteren Zeitraum verschoben. So findet das Laden im Sommer bevorzugt am frühen Nachmittag und im Winter während der Nacht statt, anstelle des sofortigen Ladens am Abend.

Bestehende Einsparpotentiale: Intelligentes Laden erlaubt bereits mit den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen Einsparungen von rund 70% gegenüber sofortigem Laden

Die Modellierungsergebnisse zeigen, dass intelligentes Laden auf Basis von bereits heute möglichen dynamischen Tarifen die Stromrechnung durchschnittlicher Autonutzer um rund die Hälfte senken kann. Die Optimierung im Day-Ahead-Markt bringt somit 33% und die im Intraday-Markt zusätzliche 14% Ersparnis.

Kommen Stromtarife mit noch weiteren zeitvariablen Preiskomponenten, wie den zeitvariablen Netzentgelten mit seinen drei Modellen (pauschale Reduzierung, prozentuale Reduzierung, Anreizmodell), sinken die Kosten um 68%. Hierbei wurden zur Berechnung der Ersparnis beispielhaft die drei Preisstufen von Stromnetz Berlin herangezogen, da Netzentgelte regional festgelegt werden.

Zukünftig denkbare Einsparpotentiale: Durch ergänzende Maßnahmen können weitere Anreize für intelligentes Laden gestärkt werden

Dynamische stufenlose Netzentgelte, die sich an der momentanen Netzsituation orientieren, könnten ein gezielteres und netzentlastendes Verhalten fördern. Zudem würde der Abbau zeitkonstanter Steuern, Abgaben und Umlagen ein unverzerrtes Reagieren auf Marktsignale ermöglichen und darüber hinaus die Stromrechnung um weitere 12% senken. Zusammen mit einem dynamischen Stromtarif mit Intraday-Preisen könnten in den Sommermonaten eine Ersparnis von 84% erreicht werden. Demnach ist das gesamte Einsparpotential von intelligentem Laden so hoch, dass ein „Quasi-Umsonst-Laden“ grundsätzlich denkbar wäre.

Bidirektionales Laden kann die Vorteile von hoher Preisvolatilität gegenüber lediglich intelligentem Laden noch stärker heben.

Bidirektionales Laden ermöglicht die Rückspeisung von Strom aus der Batterie des Elektroautos ins Netz, welches aktuell noch vor rechtlichen und regulatorischen Herausforderungen steht, aber zukünftig vereinfacht möglich werden soll. Zudem sollen künftig auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Rückspeisung von Strom ins Netz vergütet werden kann. Dabei können Erlöse in Höhe des Großhandelspreises erzielt werden. Die Stromrechnung für das Elektroauto kann somit so weit gesenkt werden, dass sie negativ ausfällt und Rückzahlungen möglich sind. Allerdings führt die zusätzliche Nutzung der Batterie zu einer beschleunigten Alterung, was kalkulatorische Degradationskosten zur Folge hat.

Vergleichbare Ergebnisse wurden für verschiede Flexibilitätsbeschränkungen (eingeschränkt / vollständig flexibel), Fahrprofile (Standard / Vielfahrer) und Verteilnetze (ländlichen / urban) festgestellt.

Kurzeinordnung

Der Mehrwert von intelligentem und bidirektionalem Laden wurde bereits in zahlreichen anderen Studien (Fraunhofer ISE & Fraunhofer ISI (2024), E.ON (2024), The Mobility House (2023)) untersucht und quantifiziert. Die von Neon ermittelten Einsparpotentiale sind mit jenen dieser Analysen vergleichbar.

Die Studie schränkt jedoch ein: Die Einsparpotenziale lassen sich nicht unmittelbar vollständig für Haushalte realisieren, da bei der Optimierung des Ladeverhaltens zusätzliche Kosten entstehen. So verlangen Hersteller von Versorgern eine Gebühr für die Steuerung des Ladevorgangs. Die Versorger wiederum behalten einen Teil als Marge für die Optimierung ein. Weitere Kosten entstehen für die Hardware wie intelligente Messsysteme oder als Zusatzkosten für bidirektionales Laden.

Des Weiteren sind dynamische Stromtarife in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale aus dem Jahr 2024 nutzen nur etwa 7% der Haushalte einen solchen Tarif, außerdem fühlen sich 81% der Befragten alles in allem zum Thema dynamische Stromtarife noch immer eher schlecht oder überhaupt nicht informiert. Grundsätzlich können sich jedoch 60% der befragten Haushalte vorstellen, einen dynamischen Tarif zu nutzen oder planen dies bereits. Schaut man jedoch auf die reinen Besitzer von Elektroautos, ist die Nutzung und das Interesse dieser Tarife höher. Herausfordernd bei der Umsetzung bleiben jedoch weiterhin die notwendigen Installationen von intelligenten Messsystemen (Smart Meter), die idealerweise direkt mit Steuereinrichtungen gepaart sind. Diese sind jedoch bisher in den wenigsten Haushalten vorhanden und auch der Rollout der Steuereinrichtungen beginnt gerade erst langsam zu starten.

„Einen dynamischen Stromtarif kann heute schon jeder abschließen. Doch um das volle Potenzial des intelligenten Ladens auszuschöpfen, brauchen wir jetzt zügig die flächendeckende Einführung günstiger Smart Meter, eine Reform der Netzentgelte und die Ermöglichung von bidirektionalem Laden,“ betont Prof. Dr. Lion Hirth, Leiter der Neon Studie. Während es bisher wenig Autos mit bidirektionaler Ladefähigkeit und entsprechend kompatible Wallboxen gibt, bedarf es für die volle Ausnutzung der Einsparpotentiale auch eines installierten Energiemanagementsystems (HEMS).

Obwohl die wichtigsten Grundlagen zur Nutzung der Technologie vorhanden sind, entscheiden sich manche Autohersteller immer noch für E-Autos ohne die sog. Vehicle-to-Grid-Fähigkeit. Begründung: Die hinterherhinkende Regulatorik und die Vielzahl der Netzbetreiber mit uneinheitlichen Standards und Verfahrensabläufen in Deutschland. Hier gilt es anzusetzen.