Fachkräftemangel oder einfach zu unattraktive Unternehmen?

Fachkräftemangel in der Energiebranche

Viele deutsche Betriebe klagen zurzeit über einen stetig steigenden Fachkräftemangel, auch die Energiebranche ist hiervon betroffen. Doch während Unternehmen Schwierigkeiten haben die geeigneten Mitarbeitenden zu finden, berichten viele Bewerbende von schlechten Arbeitsbedingungen und unflexiblen Arbeitgebern. Dies wirft die Frage auf, ob es den vielfach debattierten Fachkräftemangel in der deutschen Energiebranche tatsächlich in der Form gibt, oder ob manche Unternehmen lediglich zu unattraktiv für potenzielle Mitarbeitende geworden sind.

Über eine halbe Million Fachkräfte fehlen

Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer fehlen in Deutschland 560.000 Fachkräfte in der Energiebranche. Diese Zahl verteilt sich auf rund 250 Berufe, die unter anderem zum Ausbau von Solar- und Windenergie sowie Wasserstoff benötigt werden und somit für die Umsetzung der Energiewende essenziell sind. In einer Umfrage des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft gab knapp die Hälfte der Befragten an, dass die Besetzung offener Stellen bereits jetzt herausfordernd ist und 80% gehen davon aus, dass sich der Einfluss des Fachkräftemangels auf ihr Unternehmen in Zukunft weiter zuspitzen wird. Dies liegt unter anderem daran, dass 70% der heutigen Fachkräfte der Energiewirtschaft zu den geburtenreichen Jahrgängen zählen und innerhalb der nächsten 10-15 Jahre in den Ruhestand gehen werden.

Ausbildungen als mögliche Lösung für den Fachkräftemangel

Mehr als zwei Drittel der gesuchten Fachkräfte benötigen eine berufliche Qualifikation und vor allem Ausbildungsberufe sind stark gefragt. Ob es Dachdecker sind, die die Solaranlagen installieren, LKW-Fahrer, die die Komponenten von Windkraftanlagen transportieren, Elektroniker oder Softwareentwickler für Smart Grids – ausgebildete Fachkräfte sind unerlässlich für die zeitnahe Umsetzung Energiewende in Deutschland. Während 2023 noch 545.000 Ausbildungsstellen angeboten wurden, sank die Anzahl im Jahr 2024 um 26.000. Trotzdem blieben knapp 70.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Eine Ursache hierfür kann die fehlende Attraktivität von Ausbildungsberufen sein, da sich immer mehr junge Menschen für ein Studium entscheiden. Dem könnten Unternehmen entgegenwirken, indem sie bessere Arbeitsbedingungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie modernere und praxisnahe Ausbildungen anbieten.

Attraktive Arbeitsstellen ziehen Fachkräfte an

Selbst wenn es zahlenmäßig genug Fachkräfte auf dem Markt gäbe, müssten Arbeitgeber untereinander um die gefragten Arbeitnehmer konkurrieren. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat zu diesem Thema im Jahr 2024 einen Kurzbericht verfasst, in dem die Frage gestellt wird, was einen Arbeitgeber attraktiv macht.

Die vier meistgenannten Merkmale attraktiver Arbeitgeber waren Beschäftigungs-sicherheit, die Möglichkeit sein Wissen und Können einzubringen, kurze Pendelzeiten sowie das Einräumen großer Entscheidungsspielräume. Entgegen der Erwartung ist das Gehalt nicht der ausschlaggebende Faktor. Auch eine Manpower-Umfrage aus dem gleichen Jahr ergab, dass die Erhöhung der Gehälter keinen signifikanten Einfluss auf die Bewerbungszahlen hatte. Stattdessen wurde in dieser Umfrage flexible Arbeitszeiten sowie hybride Arbeitsmodelle als besonders relevant herausgestellt.

Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken sollten Unternehmen sich auf die Faktoren konzentrieren, die sie selbst steuern können

Wie in jeder Branche ist der Fachkräftemangel auch in der Energiewirtschaft ein komplexes Problem, für das es nicht die eine Lösung gibt. Während Unternehmen keinen Einfluss auf Entwicklungen wie den demographischen Wandel haben, sollten sie sich auf die Faktoren fokussieren, die sie selbst steuern können.

Eine verstärkte Förderung und Anpassung der Ausbildungsinhalte ist ein wichtiger Schritt, um die Fachkräfte der Zukunft auszubilden. Hierfür werden nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Bildungseinrichtungen und Politik gefragt sein.

Daneben muss auch die interne Personalentwicklung vorangebracht werden, in dem Potenzialträger aus- und weitergebildet werden oder das Up- und Reskilling von Stellen durchgeführt wird, um Engpässe zu vermeiden. Auch das Automatisieren von Prozessen und die Schaffung von Kapazitäten mittels KI (z.B. im Recruiting, um schneller passende Kandidaten zu identifizieren ​) ist eine Chance, die Unternehmen ergreifen sollten.

Damit Fachkräfte nicht in andere Branchen oder Länder abwandern, müssen wettbewerbsfähige Gehälter sowie Arbeitsbedingungen geschaffen bzw. beibehalten werden. Das Gelingen der deutschen Energiewende hängt auch davon ab, dass ein Umdenken in den Unternehmen geschieht und der Fokus noch mehr auf gute Arbeitsbedingungen gelegt wird. Denn nur durch Fachkräfte kann die Zukunftsfähigkeit der Energiebranche gesichert werden.